Body Positivity — falsche Annahmen über die Bewegung für mehr Körperakzeptanz und Selbstliebe

In den letzten Wochen und Monaten ist mir häufig eine Interpretation von Body Positivity begegnet, über die ich gerne nochmal sprechen möchte. Viele mir bekannte Menschen glauben, dass Body Positivity die Akzeptanz stetiger Gewichtszunahme bedeutet, manche gehen sogar so weit, dass sie Body Positivity mit „sich gehen lassen“ gleichsetzten. Ihr ahnt es vielleicht schon: Das ist natürlich nicht Body Positivity. Außerdem besteht generell auch immer noch die Annahme, dass mit Body Positivtiy nur dicke Menschen gemeint sind oder dick sein – das ist ebenfalls nicht der Fall.

Seit Embody Yourself reden sehr viele Menschen mit mir über Körpernormen und -formen und meistens läuft es auf das Dicksein hinaus und ich verstehe auch warum es so ist: Die Body Positive Bewegung wurde von Connie Sobcak und Elizabeth Scott eingeführt, um junge Menschen und Erwachsene darauf aufmerksam zu machen und zu inspirieren, sich und ihren Körper zu akzeptieren und sich lieben zu lernen, ohne das Gefühl zu haben, einem Idealgewicht entsprechen zu müssen. Sobcak selbst verlor eine Schwester, die an einer Essstörung litt, was sie dazu motivierte die Bewegung ins Leben zu rufen. Dass das in einer Interpretation enden kann, die meint, dass es „nur“ um das Dicksein ginge, ist naheliegend und dennoch falsch.

Natürlich gibt es bei allem immer eine gute und eine schlechte Seite. Das Gute, das diese Interpretation mit sich gebracht hat, ist zum Beispiel: Dicke Menschen (vor allem Frauen) fühlen sich zunehmend wohler in ihrer Haut, Modeindustrien haben ihre Mode an dicke Menschen angepasst und war es vor einigen Jahren noch undenkbar, dass mehr dicke Menschen in Modezeitschriften abgebildet werden, und allgemein präsenter in der Medienwelt und Film- und Musikindustrie sind, wird die Abbildung dicker Menschen immer normaler*. Außerdem gibt es immer mehr dicke Menschen, die bauchfreie Tops und Bikinis tragen – das ist toll und das ist super (denn auch das war lange Zeit undenkbar, da es nicht dem Schönheitsideal entsprach). Die schlechte Seite jedoch ist, dass meistens nur dicken Menschen Body Positivity vorbehalten ist und die Bezeichnung dadurch fehlinterpretiert wird.

Bei Body Positivity soll es in erster Linie darum gehen, Dinge an sich zu akzeptieren, die schwierig zu ändern sind. Wenn wir zurückkommen auf die Annahme, dass Body Positivity mit „sich gehen lassen“ zu tun haben soll, dann ist die einzige passende Antwort darauf: „Auf gar keinen Fall!“ Ich kann meinen Körper lieben und toll finden und trotzdem Sport machen und mich gesund ernähren. Gesund leben sollte sowieso immer das Ziel sein, für dicke und dünne Menschen. Niemand hat je behauptet, dass tägliches Junkfood und eine allgemein ungesunde Lebensweise Elemente von Body Positivity seien. Was bei Body Positivity wichtig zu verstehen ist, ist dass der Körperbau jedes Menschen unterschiedlich ist: Menschen können sich gleich ernähren und die gleiche Menge Sport treiben und sehen dennoch unterschiedlich aus. Die eine Person ist vielleicht dicker, die andere dünner und genau hier ist die Akzeptanz des eigenen Körpers so wichtig. Es geht darum, sich selbst nicht unter Druck zu setzen und seinen Körper zu hassen, nur weil er nicht dünn oder durchtrainiert aussieht. Es geht darum, sich wohlzufühlen und nicht bei jeder Süßigkeit ins schlechte Gewissen zu verfallen sowie einen gesunden und normalen Zugang zu und Umgang mit Essen zu finden. Generell ist es wichtig, dass wir etwas ändern, wenn wir uns, aufgrund unserer Ernährung, körperlich schlecht fühlen.

Was passiert nun, wenn Body Positivity mit „sich gehen lassen“ gleichgesetzt wird? Es wird angenommen, dass sich dicke Menschen automatisch schlecht fühlen und nur der Body Positivity Bewegung angehören, um eine Entschuldigung zu finden dick zu sein. Das ist nicht nur falsch, sondern auch ziemlich anmaßend und beleidigend. Damit wird dicken Menschen abgesprochen, dass sie sich, so wie sie sind, gut und schön finden können, nur weil der Mainstream ein anderes Schönheitsideal vorgibt. Dieser Mainstream redet dicken Menschen dann so sehr ein, dass sie sich so wie sie aussehen, nicht gut fühlen dürfen, dass genau das dicke Menschen dazu bringt zu glauben, dass sie falsch sind. Damit wird dick zum Synonym von ungesund! Der fettphobische Mainstream macht es sich mit dieser Gleichsetzung nur allzu einfach, weil er den vermeintlichen Ästhetikaspekt, der für ihn eigentlich eine Rolle spielt, absichtlich nicht thematisiert und dicken Menschen mit dem Gesundheitsargument keine Chance mehr gibt etwas entgegenzuhalten.

In der Serie Dietland, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Sarai Walker, gibt es zu diesem Thema eine sehr schöne Szene: Die Protagonistin, Plum, ist in einer Selbsthilfegruppe für Übergewichtige, in der den Teilnehmenden von der Leiterin in einer sehr herablassenden Art, getarnt mit dem typischen Ansatz „Ich will dir ja nur helfen“, ein schlechtes Gewissen gemacht wird, wenn sie sich nicht an den Diätplan halten oder zugenommen haben. Plum und die anderen fühlen sich dadurch nicht nur schlecht, sondern vor allem unattraktiv und ungeliebt. Bei einer Sitzung kommt eine neue übergewichtige Teilnehmerin hinzu, die dieses Spiel der Leiterin sofort durchschaut. Sie steht daraufhin auf und macht klar, dass sie an der Gruppe wegen ihrer Rückenprobleme teilnehmen wollte und dass sie deshalb abnehmen müsse, aber nicht, weil sie sich oder ihren Körper hasse, im Gegenteil sie liebe sich so wie sie ist. Am Ende fügt sie noch hinzu: „And believe me, this pussy is getting enough guys!“

Diese Szene beschreibt sehr schön, worum es geht: Es geht darum sich selbst toll zu finden, no matter what; darum, dass sexy sein und geliebt werden nicht nur für dünne Menschen ist, aber auch darum, dass gesundheitliche Probleme auch immer gelöst werden müssen! Dennoch sei hier erwähnt: Nicht jeder dicke Mensch hat gesundheitliche Probleme und auch dünne Menschen können gesundheitliche Probleme haben, die oft mit dem Dicksein verbunden werden. Eine schlanke und sehr sportliche Freundin von mir, zum Beispiel, hat seit Jahren Rückenprobleme und hatte sogar schon einen Bandscheibenvorfall *just saying*.

Also bitte Leute, kriegt euch endlich ein: Body Positivity ist etwas Gutes! Du fühlst dich zu dicken Menschen nicht hingezogen, okay dann ist das so. Das ist aber kein Grund sie respektlos zu behandeln oder zu glauben, dass sie sich gehen lassen oder dass sie unter ihrem Dicksein leiden. Viele fühlen sich sehr wohl damit wie sie aussehen und das ist wunderbar! Und an alle die glauben, dass sie nicht Body positive sein können, weil sie sich nicht wohlfühlen in ihrer Haut, denen sei gesagt: Ihr könnt auch Body positive sein, wenn ihr euch gerade nicht wohlfühlt oder abnehmen wollt oder gerne Sport macht. Ob dick oder dünn, Frau oder Mann, schwarz oder weiß, klein oder groß: Body Positivity ist für alle da!

*Leider sehr oft auch in stereotypischen „dick gleich belustigend“-Kontexten, aber das ist ein anderes Thema.

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